2016-10-06 10:54:00
Bericht #2 - Wie ist es denn jetzt eigentlich so in Brasilien?
Seit 1,5 Monaten bin ich nun schon in Brasilien... Aber was läuft hier eigentlich so und wie ist das „neue Leben“? Was habe ich überhaupt in letzter Zeit gemacht und woooooo ist der neue Blog? Tjaaaa, das erfahrt ihr jetzt :D
Ein paar Tage nachdem mein erster Blog hochgeladen wurde, ging es gleich weiter... Donnerstags um halb 11 kam meine Gastmutter zu mir und sagte ich soll mir doch bitte Sachen einpacken für das Wochenende, wir (abgesehen von meinem älterem Gastbruder welcher Prüfungen hatte) fahren nach Aracaju – eine Stadt im Bundesstaat Sergipe, ca. 4 Std. Autofahrt – was zwar sehr überraschend kam, was mich ein bisschen geärgert hatte, weil ich schon Pläne für das Wochenende hatte :D
In Aracaju haben wir die Familie von meinem Gastvater besucht, was echt spaßig war. Der Freitag bestand eigentlich nur aus Essen, erzählen und den Abend ausklingen lassen. Samstags sind wir mittags etwas durch die Stadt gefahren und danach auf den 8. Geburtstag meines kleinen Cousins, der mich echt von den Socken gehauen hat. Es wurde eine ganze Etage eines Hochhauses gemietet, ein Clownservice engagiert, es gab unendlich Essen und Trinken, alles was man sich nur wünschen konnte und obendrauf über 200 Gäste.
Später war ich dann ein bisschen erschöpft, da ich der einzige war der mit meinem kleinem Gastbruder und meiner kleinen Cousine fangen spielen wollte :D Um 9 Uhr ging es dann mit meinen Eltern und meiner Tante in ein recht luxuriöses Restaurant zu einem „Erwachsenen-Essen“., welches übrigens extrem lecker war.
Montags fing dann der normale Schulalltag wieder an... 5 Uhr aufstehen, Duschen, Frühstücken etc... Dann werde ich von meinem Fahrer abgeholt – was in Brasilien total normal ist, weil es anders zu gefährlich ist – und ab in die Schule.
In der Schule kann ich inzwischen schon bei manchen Dingen mitarbeiten was manchmal echt gut tut. Nach der Schule geht es dann in dem Zeitraum von 14-18 Uhr nach Hause, je nachdem wie lang die Schule ist und wann mein Fahrer kommt.
Zuhause heißt es dann Portugiesisch lernen, was ich aber auch schon oft in der Schule erledigt habe und danach Netflix oder etwas mit der Familie machen. Wenn es dann dunkel ist, gehe ich im 2-3 Tage-Rhythmus entweder Joggen oder mache ein Workout.
Naja die Wochenenden sind das größte Chaos... Manchmal kommen Besucher vorbei von denen man gar nicht wusste, dass sie kommen, oder es gibt irgendwelche spontanen Aktivitäten. Mit der Zeit hat man sich aber dran gewöhnt und hat immer schon alles für den Fall gerichtet :D
An einem Wochenende kamen Cedrick und Leonardo vorbei; dann ging es gleich zum Strand und einfach mal das Leben genießen und sich austauschen. Auf dem Rückweg haben wir eine Frau und ihre Mutter kennengelernt, die extrem lieb sind und mit denen ich danach noch öfters an den Strand gegangen bin :)
Wie ist es denn hier eigentlich so?
Um ehrlich zu sein, ist es manchmal sehr bedrückend... und auf einmal wieder wunderschön! Wenn man hier die Straßen lang fährt, sieht man von jetzt auf gleich extreme Unterschiede: ein Luxushochhaus zwischen Baracken; eine Villa mit riesigem (stark) abgesperrtem Grundstück und daneben Häuser die am zerfallen sind; (Luxus-)Condominios (eine Ansammlung von Häusern, manchmal Reihenhäuser manchmal Villen, welche von einer Mauer oder einem großem Zaun abgesperrt sind) und direkt nebendran ein Armenviertel.
Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen ist: Ich bin mit meiner Familie noch nie durch einen ärmeren Teil der Stadt gefahren. Entweder weil sie nicht wollen dass ich das sehe oder weil sie sich selbst nicht rein wagen... Trotzdem fahre ich jeden Morgen auf dem Weg zur Schule (um andere Schüler abzuholen) durch arme bis sehr arme Stadtteile was am Anfang echt ein Schock war. Da mein Fahrer die Fenster immer auf hat, kommt der ganze Geruch erstmal direkt ins Gesicht. Es riecht meistens nach verfaultem Essen, Müll und allem was eben schlecht riecht. Dann sieht man Menschen egal ob jung oder alt, die manchmal im Müll wühlen. Im Müllhaufen nebendran dann die Hunde, die darin wühlen.
Ein weiterer Punkt ist: Ich habe bisher genau einen größeren Hund mit seinem Besitzer Gassi gehen sehen. Sonst überall nur kleine Hunde, die Gassi gehen. Die Straßenhunde ohne Besitzer waren alle groß... Ich denke ,dass das an der großen „Apartmentkultur“ liegt, die hier herrscht . Es muss erwähnt werden, dass Salvador eine Großstadt von 2.8 Millionen Einwohnern ist. Auf dem Land wird das nochmal anders sein!
Jeder der etwas von sich hält und in der Oberschicht lebt, lebt hier halt nun mal in einem Apartment. Und wer will schon die Mühe in einem Apartment auch noch einen großen Hund zu haben. Falls ihr Bilder dazu sehen wollt, sucht doch bitte einfach im Internet nach welchen. Die Bilder treffen es eigentlich sehr gut. Ich für meinen Teil fand es nicht angemessen in den Gebieten und von den Menschen Bilder zu machen.
Wenn ich besser sprechen kann und mich mal traue mit mehreren zu reden dann eventuell, aber ohne deren Einverständnis finde ich Bilder davon einfach nicht angemessen. Diese Menschen leben unter dem Standard unter dem ein Mensch leben sollte, die meisten können nicht einmal was dafür oder hatten nicht einmal die Chance überhaupt zur Schule zu gehen. Natürlich gibt es dort auch schwarze Schafe aber die gibt es überall. Meine ehrliche Meinung dazu. Peace.
Wie sind hier eigentlich die Menschen?
Da ich abends oft Sport mache und öfters Joggen gehe habe ich einen extremen Verhaltensumschwung von Tagsüber zu Nachts gemerkt... Am Tag sind hier fast alle freundlicher, man wird gegrüßt und wenn man grüßt wird auch zurück gegrüßt. Was man leider von den meisten Regionen in Deutschland wohl nicht behaupten kann. Aber ich habe nachts noch keinen Gruß bekommen oder ein „Boa Noite“ (Guten Abend) zurück. Außer von den Polizisten und der Security.
Ich denke, dass die Menschen hier extrem vorsichtig sind, wenn es Nacht wird, da es tagsüber schon gefährlich genug ist. Aber der Stimmungswechsel ist echt krass. Insgesamt merkt man doch sehr die brasilianische Mentalität.
Ich möchte euch noch etwas genauer über mein Wohnviertel erzählen: Meine Mutter meint wir wohnen hier in DEM Viertel der Stadt: Patamares. Ich konnte dem eigentlich nicht widersprechen :D Wir haben ein Apartment mit Meerblick, einen Pool und Security. In dem Stadtviertel gibt es größtenteils nur Hochhäuser und Luxushochhäuser, eigentlich hat einen immer irgendjemand von der Security im Blick also ist es glücklicherweise relativ sicher. Ich kann als einer der wenigen Austauschschüler einen Luxus genießen, den nur wenige Einheimische haben. Meine Gasteltern vertrauen mir soweit, dass ich abends alleine Joggen gehen darf, und die Erlaubnis habe, am Wochenende einen 8-Stunden Spaziergang am Strand zu machen.
„Steffeeen, vermisst du denn nicht deine Familie und Freunde???“
Gerade eben nicht, nein :D Ich kann stolz behaupten dass wir, also ich und die meisten anderen Austauschschüler mit denen ich in Kontakt stehe unsere erste „Down-Phase“ überwunden haben. Wen ich gerade am allermeisten vermisse, ist unser Familienhund daheim in Landau... Mama, Papa, gebt ihr doch bitte ein Würstchen von mir <3
Noch ein kleines Update zum Sport. Das mit dem Tanzen wird nichts... Aber um fit zu bleiben, habe ich mir einen „Aqua Sphere Swimmer“ gekauft bzw. bestellt. Der besteht aus einem Gummiband und einer Befestigung für die Füße .Da man in unserem Pool keine Bahnen schwimmen kann, befestigt man das eine Ende am Beckenrand und am anderem Ende eben die Füße. Dann kann man schwimmen und schwimmen und wird immer wieder zurückgezogen. Außerdem habe ich mich bei einem Funktional-Training angemeldet, welches 3- mal in der Woche am Strand stattfindet und den ganzen Körper trainiert.
Frühsommerliche Grüße aus Brasilien! Steffen
PS: Ich habe gleich ein paar Tage nach meinem erstem Blog eine Wasserflasche mit Sprudel gefunden. Ein Moment der Freude! Achja, wenn ihr mal das Getränk Guarana seht... Probiert es ;)