2016-12-06 13:27:00
Bericht #3 - Heißer Herbst im kalten Chicago
Hallo Heimat, in der letzten Zeit ist hier in Amerika so unglaublich viel passiert, dass ich gar nicht wirklich weiß wo ich starten soll...
„Hot Chocolate Run“
Anfangen möchte ich aber mit dem Hot Chocolate Run, der seit 2009 in Downtown Chicago stattfindet. Dieses Rennen findet jedes Jahr zwischen Oktober und November statt, wo man sich für einen 5km oder 15km-Lauf durch die Wolkenkratzer in Chicago motivieren kann. (für mich kamen natürlich nur die 5 Kilometer in Frage…) Zusammen mit einer Freundin, meiner Gastschwester und ihrem Freund, und 30.000 anderen Sportsfreunden haben wir dann ab 7:30 Uhr die Straßen in Chicago lahm gelegt.
Joe Maddon, Cheftrainer der Chicago Cubs, ist übrigens zusammen mit meinem Gruppe gerannt, was die Stimmung nochmal um 1000% gehoben hat. Warum? Das wird euch im nächsten Abschnitt bewusst. Der Hot Chocolate Run war zwar doch ein bisschen anstrengend, aber hat unendlich viel Spaß gemacht, und den Sonnenaufgang zwischen den Wolkenkratzern zu sehen war wunderschön. Außerdem hat die Schokolade nach 5km umso besser geschmeckt.
Legendäre Meisterfeier der „Cubs“
Go Cubs go, Go Cubs go, Hey, Chicago, what do you say? The Cubs finally won the World Series! Nach 108 Jahren ist der Traum für die Cubs-Fans wahr geworden. Nach einem 4-stündigen Spiel waren die Cubbies seit 1908 wieder World Series Champions und in Stadt ging es drunter und drüber. Zwei Tage nach dem Finale war dann eine Parade mit allen Spielern durch Downtown. Alle (!) Schulen in Chicago und die meisten in den Vorstädten wurden geschlossen und somit ging es auch für mich morgens um 6:00 Uhr auf den Weg nach Downtown.
Schon morgens um 4:00 Uhr waren alle Züge überfüllt und Stau über Stau auf den Straßen. Insgesamt waren an dem Tag laut offiziellen Schätzungen über 5 Millionen Menschen in Chicago (rd. 2,7 Mio. Einwohner), um die 15-minütige Parade zu sehen, was sie gemäß Statistik als siebtgrößte Menschenversammlung in der Geschichte auszeichnet. Ich weiß gar nicht, wie ich diese Menschenmassen beschreiben soll, da ich sowas noch nie gesehen habe und vermutlich auch nie wieder erleben werde. Die Parade war auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis in meiner Zeit hier, an die ich oft zurückdenken werde.
Election Day und Reaktionen
Der 8. November 2016 war dann auch schon da und die USA haben sich für ihren zukünftigen Präsidenten entschieden. Ich möchte hier gar nicht meine Meinung zur Wahl schildern, sondern eher die Stimmung in meiner Schule. Schon am Morgen waren die Wahlen Thema Nummer 1 und in den Klassen wurde teilweise lautstark diskutiert, wer denn wohl „besser“ sei. Als dann in der Nacht bzw. am nächsten Morgen sicher war, dass Trump die Wahl gewonnen hat, war mir persönlich noch nicht klar, was das für Auswirkungen auf manche Schüler haben wird. Ich hatte noch keinen Schritt in die Schule gemacht, da hörte ich schon, wie Leute über die Wahl redeten. Viele Schüler und auch Lehrer hatten mit dem Ergebnis nicht gerechnet und waren erschüttert.
Wobei man auch sagen muss, dass es manche gab, die sich gefreut haben und Donald Trump und seine „Ziele“ unterstützen. In meiner ersten Stunde sind zwei Schülerinnen in Tränen zusammengebrochen. Eine mexikanische Freundin hat mir erzählt, dass einige Schüler in ihrer Matheklasse anfangen haben „Bau die Mauer, Bau die Mauer“ zu rufen. Eine schwangere mexikanische Lehrerin ist vor ihrer Klasse in Tränen ausgebrochen, weil sie Angst hat, dass ihr Kind irgendwann mal nicht in die Gesellschaft mit aufgenommen wird. Die Lage hat sich jedoch erstmal wieder sehr beruhigt, und jetzt ist Abwarten angesagt bis zum 20. Januar, wenn Trump das Präsidentenamt antritt, und man dann besser einschätzen kann, wie er tatsächlich regiert.
Meilenstein 100 Tage und Thanksgiving
Als die ersten 100 Tage meines Aufenthaltes vorbei waren, hat mich meine Gastfamilie zusammen mit Freunden zum Essen eingeladen. Zu meiner Überraschung hatte das Restaurant auf meinen Teller „Happy 100 Days“ geschrieben. Der Abend war richtig schön und ich freue mich schon auf die nächsten 100 Tage, die folgen werden.
Ende November war dann schon Thanksgiving und für mich 3 Tage Ferien. Zu diesem Anlass sind wir nach Minnesota zur Schwester meiner Gastmama gefahren, wo wir zusammen mit ihrer Familie Thanksgiving feierten. Am Thanksgiving-Tag haben wir die ganze Zeit gegessen, Football geschaut und erzählt. Am Abend bin ich dann zusammen mit meiner Gastschwester und deren Cousine in eine Mall gefahren zum Shoppen. Am nächsten Tag besuchten wir eine kleinere Stadt, wo es eine Art Weihnachtsmarkt gab. Wir verbrachten den ganzen Tag dort und fuhren abends in die Mall of Amerika, die größte Mall in den ganzen USA. In der Mitte der Mall ist ein riesiger Freizeitpark mit Achterbahnen. Alles ist so groß, dass ich es gar geschafft habe, die komplette Mall innerhalb von 4 Stunden zu sehen.
Der Sinn von Thanksgiving – und das kommt oft zu kurz – ist viel mehr als nur essen und shoppen gehen. Die Menschen sollen sich daran erinnern, was sie haben und wie dankbar sie dafür seien können. In diesem Sinne möchte ich auch nochmal unterstreichen, wie dankbar ich für dieses Jahr bin und für all die Unterstützung, die ich von meinen Freunden und Familie aus Deutschland bekommen habe. Danke Mama, Papa und Sophie – ohne euch würde ich jetzt nicht hier in Chicago sitzen und beim ersten Schneefall über meine Erlebnisse hier schreiben, ihr seid die Besten!
Ich genieße jetzt also den ersten Schnee in Chicago und wünsche euch eine schöne Vorweihnachtszeit, erholsame Feiertage und schon jetzt einen gelungen Start in das neue Jahr 2017!
Liebe Grüße aus dem kalten Chicago, Lena