2016-12-31 15:28:00
Bericht #3 - Ereignisreicher Winter in Russland
Der letzte Zeit war sehr ereignisreich; ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen :D
Ich habe drei Städte besichtigt, hatte Geburtstag, war Schlittschuh laufen, es gab einen Schulball, meine Gastmutter hatte Geburtstag, es gab Familienzuwachs, ich erhielt ein Paket von meiner Familie aus Deutschland und das Tollste: Schnee!!!
Ende Oktober, an einem Samstag, hatte meine Gastmutter Geburtstag, sie wurde 45 Jahre alt. Ich habe mit einer riesigen Feier gerechnet und vollem Haus, aber nein. Am Donnerstag hieß es: „Johanna, wir fahren morgen bis Sonntag nach Kostroma, um den Geburtstag zu feiern.” Oh wow, also gleich in eine andere Stadt, für drei Tage?! Am Freitag gleich nach der Schule ging‘s dann mit dem Auto los. Eigentlich sollten wir nur drei Stunden fahren, aber daraus wurden ca. fünf.
Kostrouma liegt etwa 150 km südlich von meiner Stadt Ljubim und 300 km nordöstlich von Moskau. Unser Domizil war ein kleines Häuschen mit Platz für sieben Leute. Wir waren aber zu neunt, da noch Freunde dazu kamen. Tja, also wo sollen alle schlafen? Kein Problem für die Russen: Aus Decken, Kissen und allem was weich ist, wurde auf dem Boden ein weiteres Bett gezaubert. Problem gelöst. Nachdem wir uns ein wenig eingerichtet hatten, gab es natürlich Essen. Am nächsten Tag, also am eigentlichen Geburtstag ging‘s dann gleich mit einem ausgiebigen Frühstück weiter. Danach stand eine Besichtigung der 270.000-Einwohner-Stadt in auf dem Plan. Sie gilt als eine der ältesten und reizvollsten Metropolen Russlands.
Wir machten Führungen mit und schauten uns Museen an, waren den ganzen Tag unterwegs. In Deutschland würde man in so einer Situation vielleicht Proviant in Form von Butterbroten mitnehmen, hier gab es in einer Dose Steaks, in einer weiteren Brot und in noch einer Gurken und Pilze. Sehr interessant. Am Abend warf sich dann jeder in Schale zur eigentlichen Feier. Alle Damen im Kleid und Hackeschuhen und die Männer im Anzug. Es ging in ein schickes Restaurant was, desto später es wurde, sich zu einer Disco wandelte. Das heißt, es wurde gegessen, getanzt und unzählige Glückwünsche wurden ausgesprochen. Es war ein laaaanger laanger Abend, wunderschön und voller Spaß, allerdings taten mir am Ende die Füße von den Schuhen so weh, dass mich mein Gastvater Huckepack zurück getragen hat J
Am nächsten Tag wurden noch Elche besichtigt und dann ging es auch schon nach Hause. Irgendwann Anfang November ging es für mich und meine Schwester auf eine Schulexkursion, wo wir nach “Углич” (Uglitsch) und “Мышкин” (Mischkin) gefahren sind. In beiden Städten gab es Touren und viel Interessantes zu sehen. In der Stadt Mischkin war es besonders lustig, denn es gab überall Souvenirs in Form von Mäusen, und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum gerade Mäuse? Erst als wir wieder zu Hause waren, habe ich verstanden, dass “Misch” Maus heißt. Das erklärt natürlich einiges.
In Russland ist es Tradition, am letzten Schultag vor jeden Ferien einen Schulball zu veranstalten. Wir hatten eine Woche Herbstferien und in der Schule war das einzige Thema dieser Ball. Welcher Junge fragt welches Mädchen? Was soll ich anziehen? Wie soll ich die Haare machen: flechten, offen lassen, locken, hochstecken? Meine Herren, das war eine Katastrophe, und besonders ich hatte ein Problem, weil ich keine wirklich schicke Kleidung für so einen Anlass besitze. Also bin ich einen Tag vor dem Ball wie eine Verrückte durch das ganze Haus gerannt, um irgendwas zum Anziehen zu finden. Meine Gastschwestern hatten mir zum Glück erlaubt, mich an ihren Klamotten zu bedienen, was das Ganze aber nicht viel einfacher machte, denn so bin ich ganze vier Stunden von Schrank zu Schrank gerannt: zu klein, zu groß, zu „tussig“, zu eng, zu kurz. „Hilfe, ich stecke fest, kann mir jemand beim Ausziehen helfen?!” Meine Familie fand das ziemlich lustig, ich ganz und gar nicht. Zum Schluss fand ich dann aber zum Glück etwas passendes.
Am besagten Tag wurden Dascha und ich dann von unseren Begleitungen abgeholt. Mit diversen Programmpunkten wurden wir durch den Abend geführt, bis es dann spät wurde und man sich frei im Gebäude bewegen konnte. Also entweder zum Buffet, essen, tanzen oder einfach Zeit mit seinem Partner verbringen. Und nach jedem dieser Bälle gibt es immer einige Pärchen mehr an der Schule J Leider habe ich an dem Ball ganz vergessen Fotos zu machen. Naja, die Erinnerung bleibt.
Nach den Ferien, am Samstag den 12.11. hatte ich dann Geburtstag. Am Freitagabend bin ich noch mit Dascha und ein paar Freunden spazieren gegangen, wir waren sehr lange unterwegs, kurz nach zwölf Uhr holten auf einmal alle eine Tafel Schokolade raus. Und so fing mein Geburtstag mit Glückwünschen, Umarmungen und Schokolade an. Als wir nach Hause kamen, war das ganze Haus mit Girlanden und Luftballons geschmückt. Meine ganze Familie ist extra noch wach geblieben und hat für mich gesungen. Da wir alle spät schlafen gingen, standen wir auch erst gegen Mittag wieder auf. Meine Gasteltern fingen sofort an, Essen zu machen und Dascha und ich machten uns auf in die Stadt, um mir eine Winterjacke zu kaufen. Abends meinte meine Mutter zu mir: „Johanna geh und zieh dich schick an, wir essen gleich” Also habe ich mich umgezogen, dachte aber, dass sie das “schick anziehen” einfach nur so gesagt hat und kam in Jogginghose und XL T-Shirt wieder. Als ich die anderen sah, die WIRKLICH schick angezogen waren, zog ich mich gleich nochmal um.
Dann wurde gegessen – sehr viel. In Russland ist es so, dass jede Person dem Geburtstagskind seine Wünsche in ein paar Sätzen sagt, dann das Geschenk überreicht und anschließend wird darauf angestoßen. Außerdem bedankt sich das Geburtstagskind immer mit einem Küsschen. Von meiner Familie habe ich richtig tolle typische russische Stiefel geschenkt gekriegt, die meine Gastschwester selbst verziert hatte. Außerdem wurde ich auch mit einem Geschenk von meiner Schulklasse überrascht, die mir (weil ich in der Schule immer friere) ein dickes Jäckchen, dicke Socken und Schokolade schenkten. Meine Direktorin und eine Klasse, in der ich immer Russischunterricht habe, haben mir sogar auch etwas geschenkt.
Ein paar Tage danach fuhren wir mit einigen aus meiner Schule zum Schlittschuhlaufen. Zwei Stunden hin, mit dem Bus – ja genau der, den ich im letzten Bericht schon erwähnt hatte. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie die Fahrt war: nicht sehr angenehm. Insgesamt hatten wir zum Schlittschuhlaufen zwei Stunden. Beim Schuhwechsel habe ich mich allerdings mit einer Lehrerin vertratscht, sodass ich am Ende nur noch vierzig Minuten hatte. Ups.
Normalerweise gehe ich nach der Schule immer zu Fuß nach Hause, aber an einem Tag hat mich meine Mutter abgeholt. Während der Autofahrt meinte sie zu mir: „Johaaannaaa, was hältst du davon, einen kleinen Bruder zu kriegen?” Und ein paar Tage später flitzt bei uns zu Hause ein dreijähriger Junge durch die Gegend, den meine Familie adoptiert hat.
Zum Paket aus Deutschland: Es hat ca. zwei Monate gebraucht, bis es hier ankam. Ich dachte schon es kommt gar nicht mehr, aber umso mehr habe ich mich gefreut als es auf einmal da war. Eigentlich wollte ich es erst am 24. Dezember öffnen, aber ich war zu neugierig. Und das war gut, denn im Paket war ein liebevoll gemachter Adventskalender für mich, unter anderem noch Geschenke für meine Gastfamilie, ganz viel Kekse und natürlich Nutella. Also nicht nur ich, sondern alle aus meiner Familie haben sich sehr gefreut. Vielen Dank nochmal, Ironmans J :-*
Oh, und das beste kommt zum Schluss: Schnee. Es hatte eigentlich schon den ganzen Oktober über geschneit, aber da ist nichts liegen geblieben. Anfang November wache ich morgens auf und alles ist weiß. Soooo schoen!!! Ich hab auch gleich Dascha gezwungen mit mir rauszugehen. Jetzt schneit es fast jeden Tag und der Schnee wird mehr und mehr. Ich habe noch nie so viel Schnee auf einmal gesehen, deswegen bin ich immer am Staunen und freue mich wie ein kleines Kind.
Für die Russen hier ist das aber sogar noch wenig, genauso wie -18 Grad noch nicht kalt ist. In den letzten zwei Wochen haben wir meistens -15 bis -20 Grad, manchmal sogar noch kälter. Ich laufe immer frierend durch die Gegend und so dick eingepackt, dass man nur noch meine Augen sieht. Straßenreinigung ist für die Russen auch kein so großes Thema, das heißt, wenn es rutschig ist, dann ist es rutschig; wenn auf den Straßen sehr viel Schnee liegt, dann wird nur die Hälfte davon weggemacht, gerade so, dass ein Auto nicht steckenbleibt. Tja, und da ich immer zu Fuß unterwegs bin, und die Verhältnisse nicht gewöhnt bin, ist der Fußweg eine Herausforderung für mich. Ich verstehe nicht, wie alle hier ganz normal gehen. Ich rutsche entweder die ganze Zeit aus, stecke irgendwo fest oder versinke im Schnee. Tatsächlich amüsiert man sich über meine Art bei dieser Witterung zu gehen köstlich, regelmäßig werde ichr ausgelacht und jeder aus meiner Klasse hat schon mindestens ein Video davon gemacht. Naja, wenigstens haben sie Spaß daran J Außerdem war das hier auch mein erster Geburtstag mit Schnee, ein Traeumchen.
So, ich könnte zwar noch viel mehr schreiben, aber jetzt reicht’s erst mal. ;-) Ganz herzliche Grüße, frohe Weihnachten nachträglich und ein frohes neues Jahr euch allen!!!
<3 Eure Johanna
PS: Hier ist auch schon ganz dezente Weihnachtsstimmung, obwohl Weihnachten erst am 7.Januar gefeiert wird. Aber das neue Jahr wird sehr sehr gross gefeiert und ich bin schon gespannt was mich erwartet.