2017-03-04 13:30:00
Bericht #4 - Trump und die sozialen Folgen in einer Kleinstadt…
Kansas ist konservativ. Versteht mich nicht falsch, nicht jeder ist konservativ, aber dennoch: Die Mehrheit steht definitiv auf der konservativen Seite. Und das liegt mir schwer auf dem Herzen… Ich wurde in einer Familie aufgezogen, in der man die Meinung anderer schätzt und wenn sich etwas ändert, nicht sofort einen kontraproduktiven Kommentar macht, sondern erst einmal Neues auch ausprobiert. Veränderungen, Neues oder wie man es auch umschreiben will, sind für mich um ehrlich zu sein, Dinge die ich liebe, da ich mein Wissen und meine Meinung durch sie besser erweitern und festigen kann.
Doch dies ist eine Haltung, die in Kansas oder besser gesagt in den ländlichen Arealen der Staaten anscheinend nicht bevorzugt wird. Mein Gastort Satanta liegt Haskell County, ein sehr kleiner Landkreis, der aber zu denen mit den meisten Trump-Wählern zählt (siehe Grafik). Seit dem Anfang meines Austauschjahres bis zum heutigen Tag verstehe ich manche Menschen nicht, selbst wenn ich versuche mir vorzustellen wie sie aufgezogen wurden. Die kleine Stadt, in der ich lebe, hat eine ungefähre Bevölkerung von 1.200 Menschen; davon sind ungefähr 40% Latinos. Jeder schätzt jeden, und die Mehrheit meiner Freunde ist mexikanischer Herkunft.
Natürlich: Dieser Teil der Stadt hasst Donald Trump wegen der Kommentare über deren Heimat. Was mir aber nicht in den Kopf geht ist, dass manche weiße Amerikaner tatsächlich denken, dass man am besten alle nicht dokumentierten Latinos und Hispanics deportieren sollte und die von Trump propagierte Mauer zwischen USA und Mexiko eine glorreiche Idee sei…
Für mich war und ist es eine Selbstverständlichkeit, dass es nicht darauf ankommt, wie man aussieht oder wo man herkommt. Man sollte ein menschliches Wesen immer gleich behandeln, und man kann sich auch Amerikaner nennen, solange man hier lebt.
Geschätzt fast die Hälfte der Latinos hier in meiner Stadt sind nicht dokumentiert und auch viele Jugendliche haben keine offiziellen Dokumente. Leider wurden auch schon zwei Mädchen deportiert, die ich persönlich kannte. Noch dazu kenne ich eine muslimische Austauschschülerin, deren Eltern nicht begeistert sind von der durch Trump verhängten Reisesperre verschiedener muslimischer Staaten und haben deshalb auch schon an ein vorzeitiges Ende des Auslandsjahres ihrer Tochter gedacht.
Auf der anderen Seite lernte ich auch ein paar liberale Menschen hier kennen. Auffällig ist dabei: Diese sind alle im Bildungssektor beschäftigt, also z.B. als Lehrer in der Schule. Da ich mich mit meinen Lehrern auch meist besser identifizieren kann, führe ich mit ihnen die meisten politischen Konversationen. Sie sind die einzigen, die mich nicht sofort unterbrechen, wenn ich mal anderer Meinung bin, wie viele meiner Mitschüler.
Aber Kansas hat auch sehr positive Seiten. Die Landwirtschaft blüht momentan bis zum Geht-nicht-mehr und jede kleine Stadt hat eine eigene kleine Geschichte, was ich sehr interessant finde. Mein persönliches Highlight ist dennoch wie hier alle zusammen halten und sich gegenseitig unterstützen, z.B. im Sport; das ist etwas, was ich noch nicht erlebt hatte. Immerhin: Dass Trump in seiner ersten Rede vor dem Kongress (28.2.) einen vergleichsweise etwas moderateren Tonfall anschlug, war in den Augen vieler Liberaler ein kleiner Lichtschein (obwohl er inhaltlich nichts von seinen Positionen zur Einwanderung zurückgenommen hat).
Mit dennoch großen Hoffnungen und auch bald neuen Berichten aus dem Sonnenblumen-Staat Kansas,
JP