2021-02-08 07:58:00
Bericht #2 – "lille juleaften"
Nun sind schon wieder einige Wochen vergangen, seit meinem letzten Bericht. In dieser Zeit
habe ich viele neue Erfahrungen gesammelt, schöne und auch nicht ganz so schöne.
Am 18.Dezember war mein letzter Schultag vor den Weihnachtsferien und ich musste mich
leider von vielen meiner Freunde hier verabschieden, da diese nicht für ein zweites
Semester zurück kommen. Natürlich haben wir nicht für immer "Lebewohl" gesagt und
planen schon ein Wiedersehen, sobald die Corona-Restrictions es erlauben.
So habe ich erstmal mit meiner Contact-family gelebt und auch mit ihnen Weihnachten
verbracht. Meine Contact-family bestand aus meinen Contact-Parents Christopher und Sara
und deren Töchtern Astrid und Emilie.
Sie waren alle wirklich sehr nett und haben mir viele dänische Traditionen gezeigt, wie zum
Beispiel "lille juleaften". Direkt übersetzt, heißt das soviel wie "kleiner Weihnachtsabend"
oder einfacher, der Abend vor Heiligabend. Wir haben alle zusammen Plätzchen gebacken
und uns am Abend fein angezogen und sind dann zu Sara's Eltern gegangen, welche
praktischer Weise nur zwei Straßen weiter wohnen. Hier in Dänemark wird sehr viel gesungen. Wann immer wir zu Besuch bei Sara's Eltern
waren, haben wir sowohl vor dem Essen als auch durch den Abend verschiedenste Lieder
gesungen.
Aber an "lille juleaften" ist das wichtigste, das Probieren der Plätzchen. Normalerweise
kommt die ganze Familie zusammen und jeder bringt ein bis zwei verschiedene Sorten von
Plätzchen mit, welche dann an Heiligabend gegessen werden. Auch Heiligabend haben wir bei Sara's Eltern verbracht. Erst am Morgen des 24. haben
diese den Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt, sodass es eine Überraschung für
die Kleinen war. Und wenn wir schon bei Überraschungen sind, ich kann mit Überzeugung
sagen, ich habe noch nie so viele Geschenke unter einem Baum gesehen und hatte auch
noch nie einen Baum mit echten Kerzen erlebt. Auch an Heiligabend hat die Familie ihre Traditionen. Angefangen mit dem Essen. Wie auch
bei viele Familien in Deutschland ist die Hauptspeise, Braten mit Rotkohl und verschiedenen
Arten von Kartoffeln. Der Nachtisch jedoch ist eine Art Glücksspiel. Im Grunde ist es
Milchreis mit Mandelstückchen, jedoch ist in der gesamten Schüssel eine einzige ganze
Mandel versteckt. Der Rest ist gestückelt. Das Ziel: Finde die ganze Mandel und du
bekommst ein weiteres Geschenk. Soweit ich mich dran erinnern kann, war es Erna, Sara's
Mutter, welche die ganze Mandel in ihrer Schüssel hatte.
Nach dem Abendessen kam die Bescherung, zuvor jedoch wurde gesungen, während wir
um den Weihnachtsbaum tanzten. Und auch die nächsten Tage verbrachten wir viel Zeit mit den Großeltern, da wir durch den
Lockdown nicht viele Optionen hatten. An Silvester jedoch fuhr meine Contact-family zu Freunden außerhalb von Jütland und
setzte mich auf dem Weg bei einem Freund von der Schule ab, mit dessen Familie ich dann
Silvester verbrachte. Und so wie auch Zuhause in Deutschland guckten wir alle zusammen
Miss Sophie's 90. Geburtstag, "A dinner for one". Am Neujahrstag holte mich meine Contact-family auf dem Weg nach Hause wieder ab.
Und so erfahrungsreich meine Zeit bei meiner Contact-family auch war, so war die
Stimmung dann nicht immer ganz so angenehm. Der 4.Januar, Schulstart, näherte sich und die Dänische Regierung teilte mit, dass der
Lockdown bis zum 18. Januar verlängert würde.
Von dort an war die Spannung im Haus meiner Contact-family schon quasi greifbar und es
war nur eine Frage der Zeit, bis die Situation eskalieren würde, was sie dann auch tat.
Ich werde nicht sagen, was genau meine Contact-Mom zu mir am Abend des 3.Januars
gesagt hat, jedoch habe ich noch am selben Abend ein Zugticket zu einem Freund auf Fyn
gebucht und meinen Koffer gepackt, um am 4.Januar morgens das Haus zu verlassen.
So kam es also, dass ich die nächsten Wochen mit meinem Klassenkameraden und seiner
Mutter gewohnt habe. Definitiv eine andere Erfahrung als zuvor. Auch wenn wir nicht gerade
viele Optionen hatten, im Sinne von Zeitvertreib, hatte ich trotzdem eine sehr angenehme
Zeit dort. Oftmals sind wir nur ein wenig herum gefahren und die beiden haben mir
verschiedenste Sehenswürdigkeiten, wie alte Schlösser oder Schlossparks gezeigt. Jedoch
hatten wir auch das Glück, mehrere Tage Schnee zu bekommen. Wir konnten es uns
natürlich nicht nehmen lassen, einen Schneemann im Garten zu bauen.
Doch auch diese Zeit kam irgendwann zu einem Ende, da mein derzeitiges Bett eigentlich
dem Bruder meines Klassenkameraden gehörte, der aufgrund der Coronabeschränkungen
auch wieder nach Hause kommen würde . Das jedoch war nicht wirklich ein Problem, da ich
ein paar Tage zuvor herausgefunden hatte, dass ein paar meiner Freunde, auch Austauschschüler, planten, zusammen zurück in die Schule zu ziehen und dort eigenständig zu wohnen, da die Schule eigentlich noch immer zu hatte. Und obwohl unsere Lehrer und AFS Dänemark uns geraten haben nach Hause zu fahren, bis die Schule wieder los geht, haben wir Internationals die Erlaubnis bekommen, dort ohne Aufsicht zu leben.
Nun wohne ich seit dem 18.Januar zusammen mit Thomas aus Belgien, Theo aus der
Slowakei, Alvaro aus Paraguay und Naomi aus Deutschland in der Schule. Auch wenn wir
nicht besonders viel zu tun haben, machen wir trotzdem das beste aus der Zeit und helfen
ab und zu unserem Hausmeister Tommy aus, indem wir Wände streichen, Stühle
zusammenbauen oder draußen den Weg frei von Schnee schaufeln. Denn auch hier hat es
in den letzten Tagen ordentlich geschneit.
Planmäßig soll die Schule wieder am 1.März losgehen, und bis dahin machen wir uns hier
alleine eine schöne Zeit. In Deutschland hätte ich nie gedacht, dass ich mal sagen würde
„Ich freue mich, wenn die Schule endlich wieder losgeht“. Ich werde bald berichten, wie es an der Ungdomshøjskole weitergegangen ist, wenn der
Schulstart dann wirklich stattfindet.
Bis dahin eure MRN Botschafterin Lena