2019-01-31 15:41:00
Bericht #3 - Guilford High und das US-Schulsystem
Nach einem gut erholsamen „Winter Break“ also den Weihnachtsferien - auch wenn sie leider nur ne Woche lang war - ging es dann wieder in die Schule. Pause von Hausaufgaben hat man über die Ferien hier übrigens nicht. Mein Essay über die amerikanische Geschichte der Weihnacht musste ich daher auf der 7-stündigen Rückfahrt von Ohio zurück nach Connecticut fertig schreiben. Ja, meine Social Studies Class ist ziemlich hart, auch wenn sich das Thema anfangs spaßig anhört, an seitenweise Essays schreiben musste ich mich erstmal gewöhnen -- und das in einer Fremdsprache, die für dich als Muttersprache an einer ausländischen Schule gezählt wird.
Aber ich muss zugeben, in der Schule ist es für mich generell schon um einiges leichter geworden. Texte lesen und schreiben fällt mir immer leichter und auch das Verstehen im Unterricht vor allem. Das kommt nach einer Zeit einfach, dass man gar nicht mehr versucht alles zu übersetzen, sondern man beginnt einfach in der Sprache von der man umgeben ist zu denken, wenn man sowieso schon damit beschäftigt ist sie zu hören und zu sprechen. Es ist ein sehr interessanter Vorgang, der sich da entwickelt und irgendwann automatisiert, mit einer anderen Sprache zu leben. Nächte, in denen man aufwacht und sich selbst dabei erwischt englische Wörter zu murmeln, seine innere Stimme in einer anderen Sprache zu hören, das sind Erfahrungen die man eben nur in einem anderen Land machen kann.
Und auch wenn man immer „die“ mit dem Akzent ist, die, bei der man immer genau zuhören muss, um zu verstehen, was sie versucht zu sagen, das sind Erfahrungen aus denen man lernt und wächst und es kann schlimm sein, aber es macht einen letztlich stark und schlau. Ja, mit der Sprache hatte ich anfangs auf jeden Fall mehr Probleme, man gewöhnt sich aber leicht dran.
Worauf ich aber eigentlich hinaus will, ist das amerikanische Schulsystem. Ich versuche mal ein bisschen zu erklären, da vieles sehr anders ist als in Deutschland. Ich bin ein „Junior“ an der Guilford High School in Guilford, Connecticut, d.h. ich bin in Jahrgangsstufe 11. Die „American High School“ ist 4 Jahre lang und geht von 9. bis 12. Stufe. Jede Stufe hat einen bestimmten Namen: Als Neuntklässler bist du ein „Freshman“, 10. Klasse „Sophomore“, 11. Klasse „Junior“ und 12. Klasse „Senior“.
Als Freshman hast du in der High School so ziemlich nichts zu sagen und als Senior hast du immer “Seniority”, jeder hat dich zu respektieren, du bekommst Geschenke fuer jedes Spiel von deinem zugewiesenen “Guardian Angel”, wenn du Schulsport machst, bekommst viel leichter die guten / Hauptrollen im Theater und hast generell mehr Anerkennung in der Schule.
Hier in Amerika geht es los mit „Kindergarten“ oder „Pre-School“, dann Grundschule (Elementary School) 4 Jahre lang, wie bei uns. Dann aber kommen die Schüler zur „Middle School“, die 2 Jahre lang geht (5. bis 6. Klasse) und wechseln anschließend zur sogenannten „Junior High“, welche der 7.-8. Stufe entspricht. Meist gibt es in den Städten nur eine Middle School und insbesondere nur eine High School, auf die jeder Schüler der in der Stadt lebt gehen muss, außer du gehst auf eine private Schule für die man aber dann gut hinlegen muss. Eine dritte Möglichkeit ist das „Homeschooling“, also der Unterricht zu Hause, was hier in Amerika fast jedem möglich ist, der sich in der Lage fühlt zu unterrichten, wie zum Beispiel einfach deinen Eltern.
Um von meinen persönlichen Erfahrungen zu berichten in all den verschiedenen Kursen in denen ich schon war, ist zu sagen, dass es wirklich immer auf das Level der Klasse ankommt, wie schwer es ist, aber auch sehr auf die Lehrer. Ich habe das Gefühl, Lehrer haben hier mehr Freiheiten, wie sie den Unterricht gestalten und in welchem Tempo sie wie mit den Schülern was durchnehmen.
Meinem Zeugnis gemäß wurde ich anfangs in sehr herausfordernde Klassen (classes) oder Kurse gesteckt. Schnell bemerkte ich jedoch wie hart es für mich war, in einigen Kursen auch nur irgendwas zu verstehen. In meiner Englisch-Klasse zum Beispiel wurde uns in der ersten Woche das Buch „The Scarlet Letter“ (Der scharlachrote Buchstabe) in die Hand gedrückt, eine Standardlektüre in US-Schulen. Erwartet wird nicht nur es zu lesen, sondern auch darüber Analysen zu schreiben. Da kann man als jemand der das heutige Englisch nicht mal fließend spricht und insbesondere mit der alten Sprache (17./18. Jahrhundert) dieses Romans schon leicht mal die Krise kriegen. Also bin ich aus der Klasse raus, und in ein anderes Level gewechselt. Letztendlich bin ich in einer „Senior English Class Level 1“ gelandet. Was genau es sich mit den verschiedenen Leveln auf sich hat werde ich noch erklären.
Im Laufe meiner Zeit hier habe ich jedenfalls schon einige Kurse gewechselt und auch wenn es manchmal nicht ganz einfach war, das richtige Level für mich zu finden, ist es ist immer wieder interessant, Einblick in die verschiedenen Perspektiven der Schülerin den unterschiedlichen Klassen in meist sogar unterschiedlichen Stufen zu bekommen - ja, denn ich bin in Sophomore, Junior und Senior Classes - und auch verschiedene Lehrer und deren Wege des Unterrichtens kennenzulernen.
Es ist sehr verschieden zu dem Lehrplan in Amerika, dass wir uns in Deutschland für einen bestimmten Typ von Schule entscheiden müssen (Realschule, Gesamtschule oder Gymnasium) und das schon nach der 4. Klasse, welche Entscheidung uns hinterher normalerweise nicht mehr die Wahl lässt, ob wir studieren möchten oder nicht. Entscheidungen werden sehr früh getroffen. Hier geht jeder auf die gleiche High School und man kann dann entscheiden, wie es weitergeht. Jeder kann aufs College gehen nach der Schule. Klar gibt es hier andere Hindernisse, wie zum Beispiel das Geld. Die Gebühren sind unglaublich hoch um auf die Universitäten zu gehen. Aber in der High School beispielsweise ist meiner Meinung nach alles viel individueller geregelt. Anstatt sich für eine von 3 verschiedenen Arten Schulen zu entschließen, bekommen die Schüler hier die Möglichkeit ihre auf verschiedene Level herausfordernden Kurse, “Classes”, zu wählen, was auf jedes einzelne Fach individuell bezogen ist, von den Stärken der Schüler abhängend.
Es gibt Level 1, Level 2 oder AP ("Advanced Placement", erweiterte Platzierung) Classes, oder eben das IB-Programm, das "International Baccalaureate Diploma" ist ein internationales spezielles Bildungsprogramm, das nur an einigen Public High Schools in Amerika angeboten wird, an Privaten Schulen ist es häufiger zu finden. Der international anerkannte Schulabschluss den die Schüler am Ende des 2-jaehrigen Programmes machen ist jedoch weltweit verbreitet, und wurde 1968 in der Schweiz gegründet.
Die meisten IB-Students sind bekannt für ihre Aufgeschlossenheit und sind sehr bildungsfokussiert. Beide meiner Gastgeschwister sind Teilnehmer dieses Bildungsprogrammes. Es nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, aber scheint mir auch sehr interessant, von den Einblicken die ich in das Programm bekommen habe.
Ich hoffe ich konnte euch mit meinen Beschreibungen das amerikanische Schulsystem etwas näher bringen, über den “College-Process”, PSAT’s und SAT’s werde ich mich im Frühling mehr befassen, da am 9. April auch für mich der SAT Test ansteht, den PSAT habe ich schon hinter mir. Davon werde ich dann jedenfalls noch Genaueres berichten.
Greetings from America,
Leandra