2015-09-09 14:18:00
Bericht #1
¡Hola! Ich bin jetzt seit ungefähr drei Wochen in Rio Gallegos, im Süden von Argentinien. Als ich am Donnerstag, den 20. August, abends um 22 Uhr ins Flugzeug eingestiegen bin, war mir noch gar nicht richtig bewusst, dass ich für 11 Monate weg von meiner Familie und meinem Zuhause, in einem anderen Land, so weit weg von Deutschland, sein werde. Es schien alles so unrealistisch!
Ich bin mit 53 anderen Jugendlichen aus ganz Deutschland 14 Stunden bis nach Buenos Aires geflogen, wo wir dann nach langem Warten aufgeteilt wurden, je nach dem in welcher Region Argentiniens man wohnte. Zu acht, insgesamt aus sechs verschiedenen Ländern, sind wir mit dem Bus vom internationalen Flughafen von Buenos Aires zum Inland Flughafen gefahren.
Dabei konnte ich außer Straße und ein paar Häusern nicht so viel von der Landschaft und der Stadt sehen, die paar Blicke haben mir aber schon gereicht um zu merken, wie verschieden es zu dem ist, was ich aus Deutschland gewohnt bin. Die Straße schien selbst im Bus wie eine Mountain-Bike-Strecke und die Häuser hatten alle möglichen Farben, pink, grün, orange, und manche waren gar nicht verputzt. Es sah einerseits wirklich lustig aus, durch ein Meer aus bunten Häusern zu fahren, andererseits ist mir auch aufgefallen, wie dürftig diese gebaut waren. Die meisten Dächer bestanden aus Wellblech und sahen sehr klein aus.
Der Flug von der Hauptstadt nach Rio Gallegos dauerte noch mal drei Stunden, sodass ich abends um 20 Uhr, nach 22 Stunden Reise, endlich mein Ziel erreicht hatte. Am Flughafen wartete schon meine Gastfamilie auf mich und begrüßte mich ganz herzlich. Zuhause angekommen stand schon das Abendessen bereit und zur Feier des Tages bin ich mit meinem Gastvater Daniel und meinem Gastbruder Facundo noch Eis kaufen gegangen, dass es dann als Nachtisch gab. Und dann kam auch schon meine erste Nacht in meinem neuen Zuhause. Ich teile mir das Zimmer mit meiner Gastschwester Magdalena, sie ist so alt wie ich und wir verstanden uns auf Anhieb super.
Ich lebe mit meiner Gastfamilie in einem gemütlichem Haus nicht weit vom Stadtzentrum entfernt. Es ist ziemlich geräumig, genau richtig für ein ausgiebiges Asado (so nennt man hier das Sonntagsessen mit Massen an Fleisch) mit der kompletten Familie, dass ich auch direkt am zweiten Tag miterleben durfte. Dort habe ich mein erstes Mal Choripan gegessen. Choripan ist wie Bratwurst im Brötchen, nur kleiner, und es isst jeder in Argentinien. Mein Gastopa hat mir dann direkt drei Choripan angedreht, die ich natürlich nicht abschlagen konnte. Natürlich habe ich jetzt auch schon öfters Mate getrunken. Mate ist der traditionell argentinische Tee, den hier wirklich jeder trinkt. Um das auch meine Angewohnheit werden zu lassen, schenkte mir meine Gastfamilie nach der ersten Woche eine eigene Mate „Tasse“.
Das Wochenende über wurde mir dann meine riesengroße Gastfamilie mit allen Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins sowie allen Freundinnen meiner Gastschwester vorgestellt und ich wurde von allen herzlich aufgenommen.
In den ersten Tagen erkundete ich dann auch meinen neuen Wohnort. Rio Gallegos ist eine für Argentinien relativ große Stadt mit 100.000 Einwohnern. Schön ist Rio Gallegos nicht wirklich, das finden auch alle die hier wohnen. Die Straßen sind, wie auch in Buenos Aires, nicht sehr leicht zu fahren und die Häuser sind alle kreuz und quer. Viele Häuser sind auch verlassen und verkommen deshalb. Dazu kommt, dass die Müllabfuhr seit März streikt, dem entsprechend sieht die Stadt aus. Überall liegt Müll herum, der von den vielen herrenlosen Hunden aus den Müllsäcken, die neben den Straßen liegen und darauf warten endlich abgeholt zu werden, gerissen wird. Meine Gastmutter meint, Rio Gallegos sieht im Moment so schlimm aus wie noch nie. Aber trotz alldem fühlt man sich hier wohl, was an den Menschen um einen herum liegt, die alle so fröhlich und aufgeschlossen sind. Außerdem habe ich nach ein paar Tagen meinen ersten patagonischen Sonnenuntergang erlebt, von der Stadt aus mit Blick zum Meer, was die Stadt durch das Licht viel schöner erschienen lies.
Am Montag ging es dann zum ersten Schultag in meine neue Schule, die „Poplars High School“. Es ist eine bilinguale Schule, das heißt die Hälfte der Unterrichtszeit ist auf Englisch, was mir die ersten Wochen sehr zugute kommt. Mittlerweile denke ich schon auf Englisch – was eigentlich die „falsche“ Sprache ist. Aber ich versuche außerhalb der Schule nur noch Spanisch zu sprechen, damit das Denken von Englisch zu Spanisch wechselt.
In der Schule sind alle sehr nett und offen! Die Schüler umzingeln mich jede Pause und wollen mit mir Fotos machen und die Lehrer sind sehr rücksichtsvoll und wiederholen auch gerne was sie gesagt haben, wenn ich beim Unterrichtsstoff auf Spanisch nicht mitkomme. Außerdem küsst man sich zur Begrüßung, egal ob Schüler oder Lehrer, jeder kriegt einen Schmatzer auf die rechte Backe.
Über die Tage bin ich schon so dicke mit meiner Gastfamilie geworden, dass es mir vorkommt als wäre ich hier schon drei Monate und nicht erst drei Wochen. Ich spiele mit meinem Gastbruder Facundo oft auf der PlayStation Fifa, Deutschland gegen Argentinien. Zu seiner Freude gewinnt er immer, nicht so wie im Finale der Weltmeisterschaft, aber das gönne ich ihm. Abends machen Evelyn, Facundo und ich Abendessen, was meistens traditionell argentinisch ist. Meine Gastschwester Magdalena und ich sind jetzt schon sehr gute Freundinnen geworden. Wir teilen uns das Zimmer und da wir im selben Alter sind nimmt sie mich oft zu Freunden mit. Mein Gastvater Daniel ist der einzige in der Familie, der kein Englisch spricht. Deshalb ist vor allem er der Ansporn für mich Spanisch zu sprechen, damit die anderen Familienmitglieder nicht immer extra für ihn ins Spanische übersetzen müssen. Mal sehen, was die nächsten Wochen bringen. Erlebt habe ich bis jetzt auf jeden Fall schon unglaublich viel! ¡Hasta luego!
Nele