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2018-07-28 15:03:00

Bericht #7 - Abschied von Florida und Fazit zu einem besonderen Jahr

Servus MRN,

Zwischenzeitlich bin ich schon wieder drei Wochen in Deutschland. Es füllt sich aber schon fast wieder so an, als wäre ich nie weg gewesen. Ich habe mich wieder schnell eingelebt, schon nach 1-2 Tagen habe ich mich wieder wie zu Hause gefühlt.

Es ist ein komisches Gefühl, wenn du weißt, dass du vor ein paar Wochen noch ein komplett anderes Leben geführt hast, auf der anderen Seite des Ozeans, es ist schwierig zu beschreiben. Ein bisschen wie Heimweh fühlt es sich an, wenn man das so sagen kann. Ich versuche relativ wenig daran zu denken und es funktioniert auch meist ganz gut, da ich auch in der Heimat wieder ein volles Programm habe.

Der Rückweg nachhause war lang, aber es waren nochmal wirklich gute 3 Tage. AFS Florida hat sich in Orlando, in einem Hotel getroffen. Dort haben wir eine Nacht verbracht, die super lustig, aber auch traurig zugleich war. Wir hatten uns von den Gastfamilien verabschiedet, bei meiner darf ich dazu sagen, dass sie wie eine richtige Familie für mich geworden sind. Der Abschied fiel schwer.

Danach hatten wir zwei schlaflose Nächte in der Long Island University. Hier waren unterschiedliche Leute aus der ganzen Welt. Nach einem langen Aufenthalt am folgenden Tag, der trotz all dem viel zu schnell zu Ende ging, bin ich im Flugzeug auf der Stelle eingeschlafen und auch erst über Deutschland wieder aufgewacht. Apropos schnell: Das ist so das Stichwort meines Ausland-Aufenthaltes. Die Zeit, das hab ich erst dort realisiert, rennt oft viel zu schnell!

Ich versuch nochmal ein paar Themen aufzugreifen, die in den letzten Berichten etwas unter gegangen sind. Angefangen damit, dass viele Leute in Florida dann doch sehr konservativ geprägt sind. Grundsätzlich gilt in Florida: Umso weiter man in den Norden kommt, desto südlicher wird es. Klassischer, was sich auch im Familienbild und in der Rolle der Frau widerspiegelt. Klar haben wir eine ähnliche Entwicklung in ländlichen Kreisen, aber in den Vereinigten Staaten, das Land der Extreme, hier ist es nochmal eine Spur ausgeprägter.

Was ganz lustig ist: Meine Gasteltern kommen aus zwei sehr ländlich und einfach geprägten Dorfgemeinschaften. Dennoch war meine Gastmutter, die zugegeben auch einen sehr starken und komplexen Charakter hat, die, die das Sagen hatte und im Zweifelsfall die Entscheidungen getroffen hat. Ausnahmen bestätigen die Regel!

Dass es in den USA viele Extreme gibt, zeichnet sich noch in vielen anderen Bereichen des alltäglichen Lebens ab. In der Schule ist es nicht so, dass die Lehrer wie oftmals in Deutschland den goldenen Weg der Mitte suchen und gehen, sondern hier wird sich stur in die eine oder andere Richtung bewegt, egal ob das an der Stelle absoluter Unsinn ist. Aber erklär mal z.B. meinem Football-Coach, der sowieso nur „Yes Sir“ und „No Sir“ als Antworten akzeptiert, dass man manche Dinge auch „rein theoretisch“ anders machen könnte. An alle zukünftigen Austauschschülern die im Süden der USA landen, hier mein Rat: Lasst es einfach sein, die Folge ist nur eine extra Trainingseinheit ?

Auch in der Cafeteria sowie im restlichen Schulalltag gibt es klare Zuordnungen. Es gibt Gruppen mit z.B. Footballern und Schulband, aber auch zwischen weiß, schwarz und Hispanic. Das ist auf eine ganz andere Art ausgeprägt als Gruppenbildung in Deutschland. Bisher habe ich das auch so nicht gesehen. Es ist nicht so, dass es sich überhaupt nicht mischt, sondern dass in bestimmten Situationen eher eine gewisse Distanz gehalten wird. Das ist sehr schwer zu beschreiben, aber es lohnt sich ein paar Monate selbst dort zu verbringen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Das hat mich in der einen oder anderen Situation auch gefordert. Aber ich hatte das Glück, dass ich als Deutscher meine „eigene Gruppe“ hatte und eigentlich überall relativ leicht reingekommen bin, wenn ich offen auf die Leute zugegangen bin.

Apropos „Deutscher“: Ich kann wirklich von mir behaupten ,dass ich mich nach dem Jahr viel mehr mit meinem eigenen Land identifizieren kann. Grundsätzlich noch zum Patriotismus: In Deutschland haben wir ja die Situation, dass es Leute gibt, die Patriotismus schnell in eine rechte Ecke schieben. Meiner Meinung nach, muss man da klarer differenzieren. Die USA hat mich an der Stelle eines Besseren belehrt. Klar kann man darüber streiten, ob man Patriotismus so ausgiebig zelebrieren muss wie die Amerikaner. Aber es fällt dann wesentlich leichter Immigranten zu integrieren und es verbindet verschiedene ethische Gruppen in der Bevölkerung. Außerdem heißt dies ja nicht, dass man Leute aus einem anderen Land deshalb ausgrenzen muss. Ich habe hier selbst die Erfahrung gemacht.

Nach 11 Monaten Florida muss ich sagen, dass der für mich doch relativ große Schritt „raus in die weite Welt“ sich voll ausgezahlt hat und ich eine wahnsinnige tolle Zeit hatte. Ich habe super viele Eindrücke gewonnen, positive und negative und neue Perspektiven bekommen habe, um Dinge anzugehen. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die ich nicht missen möchte und die ich so sicher nie in der Heimat hätte machen können.

Ich werde die letzten Wochen immer des Öfteren gefragt: „Du Julian, wie hast du dich eigentlich verändert?“ Das fällt mir schon schwer zu beantworten, sich an dieser Stelle selbst richtig zu reflektieren. Wie war ich denn noch vor einem Jahr…? Das müssen dann andere beantworten, aber grundsätzlich bin ich auf jeden Fall viel offener für Neues geworden, habe absolut die Bereitschaft verinnerlicht, auch auf Leute erstmal zuzugehen, die mir nicht so auf Anhieb liegen.

Aber was ich am wichtigsten finde, ist, dass ich mehr oder weniger ziemlich genau weiß, was ich für mich selbst will und was mir das wert ist. Dadurch bin ich auch bereit „den Preis dafür zu zahlen“, ob jetzt Schule, Sport, sozial oder auch Zukünftiges. Das muss ich jetzt nur noch beweisen, aber das wichtige an der Stelle ist: am meisten mir selbst!

Ja, das hat das Auslandsjahr unter anderem auch mit mir gemacht, abgesehen davon, dass ich durch AFS gute Freunde auf der ganzen Welt gefunden habe, nicht nur in der USA. Überall eine Anlaufstelle zu haben, hat auf jeden Fall etwas Besonderes. Ich kann jedem nur empfehlen der motiviert ist: Geht raus in die Welt, ihr werdet es nicht bereuen. Klar, keine Frage, nicht alles verläuft immer nach Plan, ab und zu werdet ihr auch fertig sein und nach Hause wollen. Aber für die vielen Hochs die ihr erlebt, lohnen sich auch die paar wenigen Tiefs, d.h. gerade die Zeiten, in denen man mal ein bisschen durchhängt, bringen einen unglaublich weiter.

Ganz am Ende werdet ihr euch glücklich schätzen, egal wie oft es anstrengend war und man nicht so richtig weiterwusste. Abgesehen davon wird die englische Sprache dann fast zu eurer zweiten Muttersprache.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmals für die große Unterstützung bei der SAP und Metropolregion Rhein-Neckar GmbH bedanken!

Es war ein ganz besonderes Jahr für mich.

Viele Grüße aus Heidelberg

Julian Bahne

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